Ein Bericht, den Paul Richter am 26.04.2003 beim Sauerwitzer Heimattreffen
im Kolpinghaus zu Köln vorgetragen hat.
Liebe Sauerwitzer,
auf diese Anrede hatten wir uns
ja schon geeinigt. Ich habe mir mal die Mühe gemacht,
nein, ich habe mir also gedacht, es interessiert
vielleicht, dass Ihr mal wisst, was in unserem
Dorf eigentlich, - im kleinen Sinne -, Gewerbebetriebe
waren. Handwerker meine ich damit, und das ist
eine ganze, große Latte, die ich da gefunden habe.
Wer weiß denn heute schon noch, was ein Binder
war? Nein, nicht etwa ein Getreidebinder, wie ihr vielleicht
meint. (Allgemeines Gemurmel unter den Zuhörern).
Da gab's doch den Binder in der kleinen
Straße zwischen Kieslich-Bäcker und Pausewang,
gegenüber vom S(i)egel-Korla. Lammet, z.B. war ein
Binder, der die Scheffel oder Schafflan gemacht hat,
die Waschwannen und was es sonst noch gab. Das
war schon eine tolle Sache. Binder waren Handwerker,
die etwas können mussten. Die Gauben mussten
gebogen und dann passend zusammengestellt
werden, damit das Gefäß, die Form und die Größe
bekam. Obwohl ich ja damals noch klein war, habe
ich die Leute noch alle gekannt.
Dann hatten wir eine ganz Reihe an Schneidern im
Dorf. Früher war es ja nicht so, dass man einen Anzug
von der Stange kaufen konnte, da musste man
schon zum Schneider gehen. Da war z.B. der Rieger-
Schneider, den sicher noch einige kennen. Dessen
Haus war auch von einem der Hochwasser weggeschwemmt
worden. Dann war da der Willsch-Schneider,
der wohnte da in der Seitenstraße; wir haben
immer Hasengasse dazu gesagt. Ein weiterer der
Weiss-Schneider, Weiss-Korla, kennt sicher auch
noch jeder. (Zuruf: "Albrecht-Schneider") Natürlich, oh,
Verzeihung, da kann ich auch noch etwas dazu sagen,
dem Albrecht-Schneider hat meine Mutter mal
einen Ziegelstein auf die Füße geworfen, da war vielleicht
was los. Entschuldigung, den hatte ich doch tatsächlich
vergessen, danke für den Hinweis. Wie sah
es mit den Bäckern aus. Da war erst mal der Kieslich-
Bäcker und später Friedrich Richter, die große Bäckerei
vorne an der Schule. (Zwischenruf: sein Sohn
Felix ist heute auch hier.) So, so wo ist er denn. (Sieht
er nicht seinem Vater ähnlich?) Als der seinen großen
Ofen gebaut hat, haben wir öfter Schutt und
Scherben hingebracht, damit er ordentlich was reinpacken
konnte, stimmt doch, nicht wahr?
Kaufleute: Im Unterdorf war die Frau Werner, dann
hatte der Kieslich auch einen Laden dabei. Ist euch
der Name "Stanikowski" ein Begriff? Das war dann
die Seiffert-Klara, bei Post-Wanke's. Wenn ich als
kleiner Junge die Treppe hoch in den Laden kam,
habe ich immer geguckt, ob sich zwischen den Bonbongläsern
etwas verirrt hatte, was ich mir dann
herausfischen konnte. Dann hatte auch der Richter-
Bäcker einen Laden neben seiner Bäckerei. Wenn
wir aus der Schule kamen, haben wir uns mal schnell
eine Mohnschnecke oder ein Hörnchen geholt, die
kosteten damals 5 Pfennig, das war ein Vermögen,
denn wir haben als Ministranten von unserem Pfarrer
pro Woche nur 30 Pfennig bekommen. Mehr gab's
nicht und man musste sich das gut einteilen.
So, dann gab's die Stellmacher. Das war ein gefragter
Beruf im Dorf, weil die ja die Wagen bauen
mussten. Purschke war um die Ecke beim Nachtwächter,
sozusagen. Ist der Name noch jemand bekannt?
Dann war da der Mitschke-Stellmacher, das
war der beste, schon ganz modern eingerichtet, mit
Bandsäge usw. Aber es gab da noch einen, den man
"Wagner" nannte. Ich habe gerade noch mit Kores-
Elly gesprochen, der Wagner war da auf dem Hinterhof,
den kennt wohl niemand mehr?!
Weitere Handwerker: die Klempner. Der Weiss-
Klempner war im ganzen Dorf bekannt. Sein Sohn
hatte schon eine kleine Bombe mit Propangas, damit
er nicht mehr vom Dach herunterklettern musste,
um den Lötkolben warm zu machen. Das konnte
er nun oben auf dem Dach tun, beim Verlöten der
Rinnen usw., das war schon ein Fortschritt. Aber er
hatte auch einen tollen Garten, den wir als Kinder
sehr bewundert haben. Da waren diese wunderschönen
Zwerge, Gartenzwerge und ein kleines Häuschen
dabei. Es war etwas besonderes in einem Dorf.
Ein ganz berühmter Beruf, das waren die Tischler.
Wir hatten da zunächst den Gröger-Tischler. Er hatte
die große Werkstatt auf dem Stirnadel'schen Grundstück.
Da war der ehemalige Kuhstall dafür umgebaut
worden. Im Oberdorf war da noch der Wanke-
Tischer. Müller: Dazu habe ich das letzte mal schon
etwas gesagt. Früher waren da 2 x Hanisch. Einer,
da oben auf dem Berge nach Soppau mit einer Windmühle.
Im Unterdorf, ebenfalls mit einer Windmühle
an der Leobschützer Straße der andere. Der Sohn
hat, nachdem der die Mühle von seinem Vater übernommen
hatte, mit einem Elektromotor weitergemahlen.
Es lief auch ganz gut, bis die drei nebeneinanderliegenden
Scheunen abgebrannt sind. Das war
eine große Brandkatastrophe damals in Sauerwitz.
Der Breitkopf-Müller hatte ebenfalls eine Windmühle,
an der Löwitzer Straße gelegen. Mein Freund Quotschalla
ist ja auch wieder da, der kam ja aus dieser
Mühle. Später hat er neben der Mühle ein Maschinenhaus
gebaut und die Mühle mit einem Dieselmotor
betrieben. (Auf den Feldern hinter der Mühle musste
1945 das Getreide auf Schober geschichtet werden
und wurde im Winter mit diesem Motor und einer
Dreschmaschine, die von Bauer Reisch aus Sabschütz
hergeschafft worden war, gedroschen.) Eine
weitere Windmühle hat der alte Winter betrieben und
die wohl bekannteste war die Wassermühle, die später
auch mit einem Zusatzmotor ausgestattet war.
Es gab auch mal eine Zimmerei, einen Zimmermann.
Wenn ihr euch erinnern könnt, an das Areal
von Koch, neben Wotennek, das war ja riesengroß.
Da war der alte Koch, den kenne ich schon nicht
mehr, aber der hatte da eine Zimmerei. lch weiß von
meinen Eltern, dass er ein sehr geschickter Mann
war und dass er um die Jahrhundertwende viele
Scheunen aufgebaut hat. Neben der Bezahlung bekam
er auch immer eine schöne Wurst von der Hausschlachtung
geschickt, wie das bei uns so üblich war.
Jetzt komme ich zu den Schmieden, da waren auch
einige. Der erste am Platze, das war der Trautmann-
Schmied, der auch ein hervorragender Hufschmied
war, mit "militärischer" Ausbildung. Im Ziegenstall
meines Großvaters, auf dem Grundstück, was der
Gastwirt Werner Franz gekauft hat, hatte mal einer
eine Schmiede aufgemacht. Das war der Heimlich-
Schmied, der sich aber nicht lange halten konnte.
Ebenso wie der Ludwig-Schmied, der von Grögers
großem Garten ein Stück für seine Werkstatt gekauft
hatte. Zu Kriegsanfang wurde er eingezogen und
musste somit den Betrieb einstellen. Dann war da
noch der Pech-Schmied, der bei uns gegenüber
(Richter Max) wohnte. Er hatte keine Hufbeschlagprüfung,
da musste man heimlich und vorsichtig mit
dem Pferd hingehen, damit's auch niemand sah (ungläubiges
Gemurmel). Ja, ja, das war schon so.
Neider hat es schon immer gegeben, die dann schon
mal die Leute angezeigt haben. Da wurde das eben
umgangen, er kam auf den Hof und hat die Pferde
da beschlagen, damit er nicht auffiel.
Dann komme ich jetzt zu den Fleischern. Der Fleischermeister
Reitzig und dessen Schwiegersohn
Krummschmidt, der den Betrieb von ihm übernommen
und weitergeführt hat. Der Hanisch Leo, natürlich
ganz groß, mit eigenem "Schlachthof", moderner
Kühlanlage und Verkaufsladen. Sein Bruder
Hanisch Heinrich war nebenberuflich auch Hausschlachter.
Der hat auch bei uns zu Hause geschlachtet
und Wurst gemacht. Bekannt als solcher war auch
der Weiß-Fleischer, der Alfons. (Fortsetzung folgt.)
Günter Persel,
Ittenbacher Str. 23, 50939 Köln, Tel. 0221/462132
Veröffentlichung aus dem Leobschützer Heimatblatt
36. Jahrgang, Heft 6/2003, Seite 36 ff